2021-08-26 |

Kein Ende in Sicht – Krise beim weltweiten Containertransport

Die Krise beim weltweiten Containertransport nimmt kein Ende, verschärft sich sogar weiter. Eine Entspannung ist erstmal nicht in Sicht. Nicht nur die Knappheit bei Leercontainern, die wochenlangen Verspätungen und explodierenden Frachtpreise machen den Verladern zu schaffen. Auch die Knappheit und steigenden Preise bei den Rohstoffen belasten Industrie und Handel. Der Verbraucher muss immer länger auf seine Produkte warten und tiefer in den Geldbeutel greifen.

Mit einer Entspannung der Lage ist nicht vor dem zweiten Halbjahr 2022 zu rechnen, da sind sich die Experten mittlerweile einig. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hält einen Anstieg der Inflation in den kommenden Monaten temporär auf bis zu vier Prozent für möglich. Der Zielwert der Europäischen Zentralbank beträgt zwei Prozent.

Was sind die Ursachen und was könnte helfen, die Lage zu entschärfen?

Nach Suez kam Yantian – und alle anderen

Steigende Nachfrage und Disruptionen durch die Corona Pandemie haben bereits im zweiten Halbjahr 2020 für steigende Preise und Ungleichgewichte bei der Leercontainerverteilung geführt. Der vorläufige Höhepunkt war im Dezember 2020 erreicht, als der klassische Peak bei den Warentransporten, vor dem chinesischen Neujahr, für neue Rekorde bei den Frachtkosten gesorgt hat.

Das Containerschiff Ever Given, dass im März dieses Jahres für sechs Tage den Suez Kanal blockierte, brachte die Situation dann endgültig zum Kippen. Massive Verspätungen und ausgefallene Hafenstopps in Fernost führten dazu, dass im April und Mai riesige Mengen von ankommenden Containern die Häfen überfluteten und auch die Hinterlandverkehre vor nie dagewesene Herausforderungen stellte.

Vor allem in den USA gab es zu diesem Zeitpunkt bereits lange Staus in den Häfen und damit lange Wartezeiten für die Schiffe zum Be- und Entladen. Die Verzögerungen bei der Abfertigung in den Häfen verschärfen die Situation immer weiter. Leere Container kommen nicht zeitnah zurück in die Häfen und die Verspätungen summieren sich immer weiter auf.

Im Mai wurde dann auch noch der chinesische Hafen Yantian auf Grund eines lokalen Corona Ausbruches zeitweise vollständig geschlossen. Yantian ist einer der größten Häfen der Welt und wichtigster Umschlagpunkt für Waren aus Südchina, wo die chinesische Tech-Industrie besonders stark angesiedelt ist.

Gerade jetzt gibt es einen weiteren Corona-Ausbruch in Ningbo, dem größten Hafen der Welt.

Wo sind die Container?

Bis in den Juni haben sich die Staus, die Abfertigungs- und Transportschwierigkeiten, sowie die langsamen Leercontainer Rückläufe in den Häfen auf der ganzen Welt zum Problem entwickelt. Dazu kommen regelmäßig ausfallende Hafenstopps, um die Transitzeiten der Schiffe zu verkürzen.

Die Masse der von Staus und Verzögerungen betroffenen Schiffe und Container summiert sich mittlerweile auf ca. 10% der gesamten Frachtkapazität (Anzahl der Schiffe und Container) in der Containerschifffahrt, so Lars Jensen, Gründer von Vespucci Maritime.

Die weltweiten Frachtkapazitäten schrumpfen – die Nachfrage wächst weiter

Trotz der deutlichen Erhöhung der Kapazitäten auf den wichtigen Handelsrouten zwischen China und USA (+30% – Quelle: Alphaliner), sowie China und Europa (+20% – Quelle: Alphaliner) seit Mitte 2020, reicht die gesamte Kapazität nicht aus um die Situation zu entspannen oder der weiter steigenden Nachfrage der Verbraucher gerecht zu werden.

Im Gegenteil – rechnet man alle Verzögerungen mit ein, ist die aktuell operierende Gesamtkapazität sogar gegenüber dem Vorjahr gesunken, sagt Alan Murphy, der CEO von Sea-Intelligence.

Die Container-Reedereien haben in diesem Jahr so viele neue Schiffe und Container bestellt wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Bis diese jedoch fertiggestellt und in Dienst genommen werden können, wird es 2-3 Jahre dauern. Das würde dann einer Steigerung der Gesamtkapazität von ca. zwölf Prozent bedeuten (Alphaliner). Gleichzeitig werden jedoch alte Schiffe aus den Flotten ausgemustert. D.h. die Netto-Kapazitätssteigerung dürfte damit geringer ausfallen.

Auch das reicht jedoch bei weitem nicht aus, vor allem wenn sich die Nachfrage in den kommenden Jahren auf einem ähnlichen Niveau wie aktuell weiterentwickeln würde. Sea-Intelligence hat errechnet, dass eine Steigerung der aktuellen Frachtkapazität um ca. 17% notwendig wäre, um der aktuellen Nachfrage gerecht zu werden und die Situation am Container-Frachtmarkt spürbar zu entschärfen.

Die Verbraucherpreise steigen und die Warenverfügbarkeit nimmt ab

Die Frachtkosten für Container liegen aktuell bei dem Vier- bis Fünffachen im Vergleich zum Vorjahr und das schon seit Dezember 2020. Neben der gestiegenen Nachfrage bei den Verbrauchern weltweit, trägt auch die Krise in der Containerschifffahrt zu einer Verknappung von Rohstoffen mit entsprechenden Preissteigerungen bei. Vor allem die Automobil- und Elektronikindustrie bekommt das seit Monaten zu spüren. Mittlerweile aber auch alle andern Industriebereiche, bis hin zur Baubranche.

Viele Importprodukte sind vergriffen oder brauchen Wochen länger als geplant bis in die Regale. Spätestens im Vorweihnachtsgeschäft müssen die Konsumenten deutlich tiefer in die Tasche greifen. Industrie und Handel können die gestiegenen Transport- und Rohstoffkosten nicht weiter kompensieren. Neben steigenden Energiekosten dürften mittlerweile auch diese Effekte die Inflation messbar weiter antreiben.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Ca. 90% des gesamten Welthandels werden über den Seeweg abgewickelt (nach Tonnen). Davon ca. 16% im Container. Die Kapazitäten von Schienen- und Straßenverkehr zwischen Asien und Europa sind dagegen verschwindend gering, und zwischen Asien und Amerika gibt es diese Transportoption überhaupt nicht.

Die Luftfrachtkapazitäten sind, auf Grund der geringen Anzahl von Passagierflügen, nach wie vor stark reduziert, der Frachtraum damit knapp und die Luftfrachtkosten brechen ebenso monatlich neue Rekorde wie die Seefrachtkosten. Abgesehen davon, dass auch nicht alle Güter per Flugzeug transportiert werden können.

Es gibt heute keine brauchbare Alternative zum Seetransport von Handelsgütern. Alle Beteiligten müssen zusammenarbeiten, um die Situation zu entschärfen. Die Anzahl der Schiffe und Container wird sich bis 2024 um ca. zehn Prozent erhöhen.

Aber auch Terminalbetreiber und Häfen müssen kräftig in ihre Infrastrukturen investieren. Deren Kapazitäten hatten bereits vor der Pandemie Probleme mit den immer größer werdenden Containerschiffen mitzuhalten. Auch die Infrastruktur für die Hinterlandverkehre, vor allem per Schiene, muss dringend weiter ausgebaut und die Digitalisierung, sowie Automatisierung der Abläufe, vorangetrieben werden.

Die Häfen und deren nachgelagerte Transportstufen sind aktuell die größten Bremsklötze der weltweiten Handelsschifffahrt.

Quelle: 2021/08, Prologue Solutions GmbH.

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